1963 bis 1998
Die Ära Theo Stolz

„Um einen Nachfolger brauchte sich die Vereinsführung nicht lange umzusehen. Sie griff den besten aus der Kapelle heraus: Theo Stolz. Ihm, dem vortrefflichen Solo-Trompeter der einstigen Grubenkapelle, wurde die Leitung der Traditionskapelle übertragen.“
(Text aus der Festschrift der Bergkapelle zum 170jährigen Jubiläum im Jahr 2009, Autor: Reinhard Huy)

Theo Stolz übernimmt die Leitung des Orchesters im Frühjahr 1963. Mit 27 Jahren ist er gerade einmal halb so alt wie sein Vorgänger Engelbert Wild. Mehrere Musikkameraden waren für das Amt des Dirigenten vorgeschlagen worden, aber die Mehrheit der Musiker stimmt für ihn. Während der langen Krankheit von Kapellmeister Wild hatte Theo Stolz die Bergkapelle bis dahin schon mehrfach bei Proben und Auftritten kommissarisch geleitet. Seine musikalische Ausbildung bekam Theo Stolz in der damals noch existierenden „Schmelzer Kapelle“ (Orchester des St. Ingberter Eisenwerks). Der dortige Kapellmeister Josef Wesely war sein Trompetenlehrer. Mit dem Wechsel der Arbeitsstelle zur St. Ingberter Grube trat Theo Stolz dann 1951 in die Bergkapelle ein.
Kapellmeister Stolz
Kapellmeister Stolz
Neue Ausbildungswege

Die Musiker der Bergkapelle entstammten 1963 noch in der Mehrzahl dem ehemaligen Werksorchester der St. Ingberter Grube. Durch den Wegfall der Bezahlung und durch eine natürliche Fluktuation schrumpft jedoch der Bestand an Musikern stark. Der junge Verein muss nun neue Wege gehen, um an musikalischen Nachwuchs zu kommen und somit den Bestand des Orchesters zu sichern. War noch in dem vorangegangenen Zeitraum vorwiegend der Kapellmeister allein für die Ausbildung der Musiker zuständig, beginnen nun mehrere Musikkameraden ebenfalls Nachwuchs heranzuziehen. Kapellmeister Theo Stolz kümmert sich dabei vorwiegend um das „hohe Blech“, Georg Becker und Edwin Brutsch um das „tiefe Blech“. Paul Zimmer und Hans Schäfer sorgen für die Ausbildung von Klarinettisten und Flötisten. Im Laufe der Zeit kommen noch andere Ausbilder hinzu, die hier nicht alle erwähnt werden können. Bereits am Fronleichnamstag 1964 können fünf junge Nachwuchsmusiker, nach etwa dreijähriger Ausbildung, offiziell in die Bergkapelle übernommen werden. Die damit verbundene Tradition der Übergabe der Uniform an diesem Tag hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten.

Stabübergabe
1963 | Stabübergabe von Engelbert Wild an Theo Stolz
Der Nachwuchs wird in den 1960er Jahren notwendigerweise direkt in die Bergkapelle übernommen, hätten doch sonst in jedem Register Stimmen gefehlt. Am Ende des Jahrzehnts ist der Altersschnitt im Orchesters gesunken und somit der Fortbestand der Musikkapelle vorerst gesichert. Einen wesentlichen Anteil am Erfolg der Nachwuchsarbeit des noch jungen Vereins haben auch die Mäzene der Bergkapelle. Vorwiegend ist Frau Elisabeth Koelle-Karmann zu nennen, die sich sehr für den jugendlichen Nachwuchs und dessen musikalische Ausbildung interessiert und ihn auch finanziell unterstützt.

1964
1964 | 125-Jahr-Feier (Foto Stadtarchiv IGB, Isenhuth)

Ein Fest nie gekannten Ausmaßes

Die 125-Jahr-Feier im Jahr 1964 wird zu einem Ereignis, das auch Jahrzehnte später noch fest im Gedächtnis der Bevölkerung verankert ist. Die ganze Stadt feiert über 3 Tage ein Fest in nie gekanntem Ausmaß. Musikkapellen aus dem In- und Ausland werden von Zehntausenden von Besuchern beim Festzug, im Zelt und bei vielen Konzerten in den benachbarten Orten gefeiert. Das etwa 4000 Mann fassende, dreistöckige Zelt auf dem alten Marktplatz scheint zeitweise aus allen Nähten zu platzen. Ministerpräsident Dr. Röder, der die Schirmherrschaft übernommen hat, weilt für viele Stunden bei seinen St. Ingbertern Bürgern. Als herausragende Ereignisse, die in den Zeitraum der 60er Jahre fallen sind die Teilnahme an der Maifeier des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 1. Mai 1965 in Berlin, mehrere Konzertreisen nach München und Oberbayern sowie die erste Konzertreise nach Wiesen/Südtirol und nach Wehdei bei Bremerhaven zu benennen. Durch ihre jetzt hohe Attraktivität und ihre vielfältigen Aktivitäten gewinnt die Bergkapelle auch Musiker von außerhalb hinzu.

1967
1967 | Trachtenumzug Oktoberfest München

1969
1969 | Vor Helgoland

Bundespräsident verleiht Pro-Musica-Plakette

Als einen vorläufigen Höhepunkt in der Geschichte der Bergkapelle darf die Verleihung der Pro-Musica-Plakette am 22. November 1969 durch den Bundespräsidenten Dr. Heinemann gewertet werden. Die Plakette „Für Verdienste um instrumentales Musizieren“ wird damit zum ersten Mal im Saarland verliehen. Nur Musikvereine, die ein hundertjähriges Bestehen nachweisen, können die Plakette erhalten.

Pro-Musica-Plakette
Pro-Musica-Plakette

Die erste Musikerin

Obwohl die Bergkapelle seit 1839 in der gleichen Uniform auftritt, beginnt sich ihr Bild in den 1970er Jahren nach außen hin stark zu wandeln. Von 1839 an bis 1974 war die Bergkapelle eine reine Männergesellschaft. Schon aus beruflichen Gründen, die Musiker waren bis Ende der 50er Jahre fast ausschließlich Bergleute, konnte dies nicht anders sein. Entsprechend dem Zeitgeist, der Ende der 60er Jahre aufflammt und dem neuen Selbstverständnis der Frauen, beginnen diese seit Mitte der 1970er Jahre langsam, aber stetig, die Notenpulte zu erobern. Die erste Musikerin, sie heißt Thea und spielt Trompete, wird 1974 in die Bergkapelle aufgenommen. Der große Zuspruch der Jungen und Mädchen im Bereich der Nachwuchsarbeit verlangt nun eine Neuordnung im Spielbetrieb der Bergkapelle. Neue Ausbildungsmethoden in Theorie und Praxis, auch in Zusammenarbeit mit dem Bund saarländischer Musikvereine (BSM) lässt die Anzahl der Nachwuchsmusiker stark ansteigen.

Ein Jugendorchester wird nötig

Die Gründung eines Jugendorchesters ist jetzt von Nöten. Theo Stolz beginnt mit dem Aufbau der Nachwuchstruppe. Die Aufnahme der Jungmusiker in das große Orchester der Bergkapelle erfolgt ab jetzt unter musikalischen Kriterien. Wegen der ständigen Belastung von Theo Stolz, zwei Orchester gleichzeitig führen zu müssen, wechselt die Leitung des Jugendorchesters in den kommenden Jahren mehrfach. Die Nachwuchssorgen sind jedenfalls vorerst ausgeräumt, der Fortbestand der Bergkapelle ist gesichert.

1970
1970 | Konzertreise nach Wiesen, Südtirol

Patenschaft mit Wiesen in Südtirol

1970 nimmt die Bergkapelle im großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks ihre erste Schallplatte auf. Mit der Konzertreise 1973 nach Wiesen/Südtirol übernimmt die Bergkapelle die Patenschaft der dortigen Musikkapelle. Viele Jahre werden sich von nun an die Musikkapelle Wiesen und die Bergkapelle St. Ingbert gegenseitig besuchen. 1974 stirbt das Ehrenmitglied der Bergkapelle, Fr. Koelle-Karmann. Die Musiker der Bergkapelle geben ihr auf dem Friedhof in Augsburg das letzte Geleit.

Konzertreisen und der Papst

Die 1980er und 1990er Jahre zeigen die Bergkapelle in einem stetigen Aufwärtstrend. Konzertreisen führen nun in das gesamte europäische Ausland (Finnland, Irland, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich). Ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte ist sicherlich der Papstbesuch im Jahre 1981 in Rom. Die Bergkapelle wird von Papst Johannes Paul II. persönlich empfangen und musiziert für ihn. Für alle mit dabei gewesenen Musiker wird dieses Ereignis unvergesslich bleiben. Später, im Jahre 1987, wird die Bergkapelle nochmals Papst Johannes Paul II in Speyer treffen. Die Bergkapelle ist extra auf Wunsch des Papstes angereist.

1981

1981
26.04.1981 | Besuch bei Papst Johannes Paul II in Rom

Neue Herausforderungen

Neue Betätigungsfelder erschließen sich nun für die St. Ingberter Bergkapelle. So wirkt sie u. a. an mehreren Unterhaltungssendungen im Rundfunk und Fernsehen mit. Die Teilnahme an den Spielfilmen „Die Buddik“ und „Die Rättin“ (Günter Grass) verleihen ihr bundesweite Anerkennung.

1995 und 1996 nimmt die Bergkapelle St. Ingbert als musikalischer Vertreter des Saarlandes am Deutschlandtag in Berlin teil. Der Marsch durch das Brandenburger Tor in dem seit 1990 wiedervereinigten Deutschland, hinterlässt bei den St. Ingberter Musikern ein nachhaltiges Gefühl.
Filmplakat Die Rättin
Filmplakat Die Rättin


1985
1985 | Oktoberfest München

1985
1985 | Olympiastadium München beim Spiel Bayern gegen Nürnberg

1989
1989 | Vor der Josefskirche St. Ingbert

1994
1994 | In Berlin

Ernennung zum Ehrendirigenten

Im Jahre 1998 gibt Theo Stolz auf eigenen Wunsch den Dirigentenstab ab. Im Alter von 27 Jahren hatte er das Orchester übernommen und im Laufe von 35 Jahren die Entwicklung der Bergkapelle von den Resten des alten Werksorchesters zu einem modernen Verein maßgeblich beeinflusst. Ungezählte Konzerte und Auftritte bei allen möglichen Gruppierungen, Firmen und Parteien haben einen nachhaltigen Ruf der Bergkapelle bewirkt und sind untrennbar mit dem Namen Theo Stolz verbunden. In seine Dirigentenzeit fällt die Integration der Frauen in das Orchester der Bergkapelle. (Anmerkung des Chronisten: 2009 liegt der Frauenanteil im Orchester bei ca. 50 %. Vier Ehepaare sowie mehrere Väter, Mütter und ihre Kinder spielen gemeinsam im gleichen Orchester)*. Theo Stolz fühlt sich mit jetzt 64 Jahren* noch jung genug, um die Bergkapelle des Öfteren auch weiterhin als Trompeter zu unterstützen. Er wird vom Vorstand der Bergkapelle, wie schon sein Vorgänger Engelbert Wild, zum Ehrendirigenten ernannt. (*Anmerkung: Text von 2009)